Freitag, 11. Dezember 2015

Ein Toast mit Mut

Wir schreiben den 13. November zweitausendundfünfzehn. Halb vier nachmittags. Planet Erde. Deutschland.
Ich befinde mich in meiner kleinen Kammer.
Hab ich euch schon von meiner Kammer erzählt?

Ich kann stundenlang in meiner kleinen Kammer sitzen, aus dem Fenster starren und fühlen.
Als würde ich meine Probleme und Verantwortungen und Pflichten aussperren, ziehe den Vorhang zu und bin nicht mehr ich.
Ich bin etwas viel undefinierbares, viel ungreifbares.
Unaufhaltsam wie Wasser, unsichtbar wie Luft, unbändig wie Feuer.
Es ist fast schon als wäre ich kein Körper mehr, nur noch eine Seele.
In diesem Zustand kann ich alles erreichen.
Ich bin grenzenlos.
Nach oben, und nach unten.
Und dann bin ich nicht mehr auf dieser Welt.
Ich bin mal hier, mal da, schlender' durch Fantasien und Träumerein als wäre mein Kopf eine Blumenwiese.
Ich geh' ein bisschen zurück, drei Tage, vier Monate, fünf Jahre. 
Führe Gespräche erneut, bemerke Feinheiten, die mir in der Beständigkeit des weltlichen Lebens entgangen sind.
Sammle auf dem Weg Gefühle und Gedanken auf wie solch Kieselsteine, die von Kindern entdeckt und als schön empfunden werden und Mama stolz in die Hosentasche gesteckt werden, für später. 
Ich sammle also emotionale Kieselsteine, für die ich noch keine Zeit gefunden habe, und nehme mir die Zeit, sie zu denken und zu fühlen.
Und wenn ich dabei woanders hingetrieben werde, dann lass' ich mich treiben.
Manchmal treffe ich mich selbst wieder, manchmal verliere ich mich komplett.
Noten können plötzlich zeichnen, 
Bilder können plötzlich schreiben, 
und Worte können mich plötzlich zudecken.
Wenn ich vergesse, wer ich zu sein scheine, ist die ganze Welt plötzlich so viel bunter.
Währenddessen geht die Sonne unter, meine Eltern kommen nach Hause, ein neuer Tatort läuft im Fernsehen, die Straßenlaternen gehen aus, die Vögel schlafen ein.
Und ich denke über andere Spezien nach.
Und die Sonne geht wieder auf.
Und meine Augenringe werden tiefer.
Und ich gehe in die Schule, und schaue in so viele Augen. Schaue durch so viele Menschen.
Betrachte meine Lehrerin.
Betrachte den Baum auf dem Pausenhof.
Betrachte die Wörter in meinem Heft.
Betrachte meine Hand.
Frage mich, was ein Bewusstsein ist.
Frage mich, ob sich in diesem Raum noch jemand fragt, was ein Bewusstsein ist.
Betrachte die Uhr.
Realisiere die Zeit als solches.
Und so vergeht eine Stunde.
Eine Stunde, in der alle anderen im Raum etwas über die Proteinbiosynthese in Mikroorganismen gelernt haben.
Eine Stunde, in der ich nichts über die Proteinbiosynthese in Mikroorganismen gelernt habe.
Mir fällt es schwer, present zu sein.
Ich finde diese Ebene des täglichen Lebens oft viel zu beständig, geordnet, kontinuierlich.
Die Anderen scheinen ihre Zufriedenheit aus Strukturen zu ziehen, in denen sie sich sicher fühlen. 
Während sich alle Welt freiwillig die Beine fesseln lässt, wünsche ich mir jedoch nichts sehnlicher als Freiheit.
Freiheit vom Weg, den sich die kleindenkenden Kritiker für mich vorstellen. Der führt mich um 22 Uhr brav ins Bett und um 6.30 Uhr pünktlich wieder hinaus. 
Ich bin aber nicht pünktlich, und ich habe meine Blätter nicht alle eingeheftet, und ich habe meine Überschriften nie unterstrichen, und wenn, dann ohne Lineal, und mit demselben Kugelschreiber, mit dem ich schreibe, und die Linie, die ich ziehe, ist nicht gerade - sie ist krumm, manchmal gewellt, weil ich lachte, oder geknickt, weil ich angestubst wurde, oder manchmal hört sie auf, weil die Tinte nicht schnell genug nachgelaufen ist. 
Aber ich mag diese Linie, sie ist meine Linie, und ich möchte meine Linie gerne so ziehen, wie ich sie ziehen möchte, denn eine anscheinend unsichtbare, anscheinend aber existierende Verordnung für das Ordnungsgemäße Ziehen Von Linien hat keine Relevanz für mein Glück. 

Dieses Jahr wünsche ich mir zu Weihnachten meine Lebendigkeit. 
Ein Dasein, bei dem ich fühlen kann, und denken kann, solange und so tief wie es mich treibt, ohne dass es an allen Wänden geschrieben steht, dass ich wieder einmal nicht gefallen habe. Dass ich falsch war, weil ich ich war. 
Dieses Jahr wünsche ich mir zu Weihnachten Lebensmut. 
Ich wünsche mir Mut zum Leben. 
Es gibt da nämlich einen gewaltigen Unterschied zwischen Existieren und Lebendig sein. 
Und zum Lebendig sein, da braucht man meiner Meinung nach mehr als nur 'nen Teelöffel Mut. 
Ich hätt' gern ein Glas voll Mut bitte, am besten mit wiederverschließbarem Deckel, damit der ganze Mut nicht rausläuft, und vielleicht könnte man den ja auch monatlich liefern lassen, das wär' mir ganz sympathisch.
Und dann ess' ich zum Frühstück eben einen Toast mit Mut. Und hoffentlich lässt sich dann alles leichter handhaben.
Denn bisher, so ohne Mut im Magen, ess' ich nur die Stresssteine, mit der Gabel und dem Messer, die ich mir selbst geformt hab aus meinen Unsicherheiten. Bekommt mir nicht so gut. 

Und wie wenn man mit einem Messer zuerst ein Nutellabrot schmiert, und direkt danach ein Marmeladenbrot, so schmeckt das Marmeladenbrot ein wenig nach Nutella, und so schmeckt auch mein Leben nach all den Dingen, die mich in einer Art zuvor berührt haben. Und alles wird mich berühren und bewegen, ob bewusst oder unbewusst.
Ich bin also in ständiger Bewegung.
Und in den letzten Wochen habe ich verzweifelt versucht, einen Begriff dafür zu finden.
Eine Art Überschrift, die beschreibt, wie mein Marmeladenbrot schmeckt. Wie ein Namensschild, eine Etikette, die das Netz der Vergangenheit und Zukunft zusammenfasst. Aber es rinnt mir durch die Finger wie Sand, und ich weiß nicht mal, was es ist, das mir entweicht.
Alles bleibt und alles geht.
Gib mir ein Wort für die Art und Weise, wie Dinge passieren.
Menschen verlassen uns plötzlich.
Aber manchmal sehen wir sie auch jahrelang davonkriechen.
Genauso können wir sie jahrelang auf uns zugehen sehen, schon von weiter Ferne, und manchmal werden sie schneller und wir rennen ihnen entgegen bis wir Meter für Meter mehr von ihrer Silhouette erkennen können, die Gesichtszüge, die Grübchen, die Augenfarbe, bis wir ihre Stimme, ihren Geruch uns einprägen, ihre Schuhgröße und Form der Fingernägel, und dann plötzlich drehen wir uns um und bemerken, dass wir zu nah waren, um zu bemerken, wie wir aneinander vorbei gerannt sind.
Gib mir ein Wort dafür.
Für die Art und Weise, wie solcherlei Dinge passieren.
Wie wir fühlen, und dann nicht mehr fühlen. Und wie das sein kann, die Sache mit dem Fühlen an sich.
Es ist die Machtlosigkeit, die für uns Menschen so unbegreiflich ist.
Machtlos dem Universum ergeben. Dem Schicksal. Der Natur. Egal, was auf der Medikamentenbox steht - wir sind im Endeffekt sogar gegenüber uns selbst machtlos.
Denn nicht mal unsere Gedanken geschweige denn Gefühle können wir zu hundert Prozent kontrollieren.
Wir sind intuitiv; wie ein Fluss, der einfach plätschert (ba dumm tzz für alle, die schon länger dabei sind) (*hust* okay, jetzt wieder ernst)
Doch wie sie alle versuchen, so zu tun, als hätten sie alles im Griff;
Komische alte und übergewichtige Herren und Damen in Krawatten, die Entscheidungen treffen über die Zukunft des Planeten - die aufschreiben, wie wichtig Bäume sind, auf Papier, für das sie genau diese Bäume fällten.
Alle Menschen sind Ameisen, die arbeiten und arbeiten und an einem großen Haufen bauen, aber sie sind zu klein, um zu sehen, was das überhaupt für ein Haufen ist.
Was ist das für ein Haufen?
Und wo ist dieser Haufen? Was ist das für ein Wald, indem wir unseren Haufen bauen?
Und wo ist dieser Wald?
Gibt es noch mehr Ameisen? Haben die vielleicht einen viel größeren Haufen gebaut? Vielleicht können die ja stechen! Oder vielleicht gibt es ja auch Ameisenbären, die uns Ameisen auffressen wollen...
Uns kleine, intuitive, fühlende Ameisen, die Mutbrote zum Frühstück essen müssen, weil sie sonst Angst haben.
Aber ich möchte keine Angst haben.
Ich bin vielleicht eine Ameise, und ich bin vielleicht klein, aber ich geh' jetzt da raus und entdecke den Wald, denn die Wahl, die ich habe, ist einfach:

Existieren oder leben.
Kriechen oder rennen.
Atmen oder beben.
Frieren oder brennen. - das Telefon klingelt. Abendessen ist fertig.
Ich schließe den Laptop.
Ziehe den Vorhang zu.
Gehe rüber in die Küche.
Bis zum nächsten Mal, Kammer.













Dienstag, 20. Oktober 2015

Die Vögel und die Zweige


Ein Käfig steht am offenen Fenster.
Die seidenen Gardinen flattern jeden Tag im Wind, 
fliegen wild umher, und so wünschte der Vogel nur, 
er könne fliegen genauso frei wie sie, und doch stößt er mit jedem Versuch an die harten Gitter.
Und so lernt er, seine Flügel zu vergessen.
Jeden Tag kann er den Stimmen der Welt lauschen, 
hört die Sirenen aus der Ferne als würden sie nach ihm rufen, 
und er zwitschert ihnen sehnsüchtig hinterher, doch sie verstummen.
Und so lernt der Vogel, zu schweigen.
Er schnuppert die Düfte, die hereinwehen – von frisch gebackenen Crepes und Benzin, 
von Waldboden und roten Rosen, und immer reckt er seinen Hals, 
doch die Brise verweht, ehe er sie fangen konnte.
Und so lernt er, den Atem anzuhalten.
Durch sein Gitter sah er die Erde sterben im Herbst und erwachen im Frühling, 
und ach, wie sehr er sich sehnte, mit ihr zu atmen, 
doch war er nie lebendig gewesen.
In seinem Käfig, da hängt ein runder Spiegel. 
Voller Stolz betrachtete er einst mein Federkleid, 
doch wenn er nun in den Spiegel sah, 
so wuchs er lang nicht mehr vor Wonne, 
denn wo einst ein Regenbogen schimmerte, 
trug er einen Umhang nun, ganz grau und matt.
Und letztendlich lernte er, die Augen zu verschließen.

Ein Vogel, der alles hat – er ist wohlgenährt, beschützt und geliebt – doch hat er eines nicht, das ist die Freiheit.
Ist es wert, sein körperliches Wohlbefinden, letztendlich sein Leben, auf's Spiel zu setzen, wenn das bedeute, dass er endlich fliegen kann, so wie es die Natur für ihn vorgesehen hat?

- so begann ich vor drei Wochen den Brief, der mein Leben umkrempeln sollte.
Und so beginne ich heute diesen Post, der vielleicht dein Leben umkrempeln wird.

All die Zeit, die ich schon auf diesem Blog schreibe, habe ich besonders in Australien versucht,
von Positivität und Lebensfreude und Optimismus zu strahlen. 
Aber besonders die letzten paar Wochen haben mir gezeigt, 
dass sich zumindest mein Weg mit Ehrlichkeit, Offenheit und simpler Akzeptanz
ein bisschen unbeschwerter gehen lässt. 
Und so schrieb ich weiter: 



Ich fühle mich wie ein trauriger Wellensittich.
Gefangen im eigenen Käfig.
Und mein Käfig gefällt mir manchmal. Hübsch hat man ihn mir bemalt.
Aber nachts beginne ich, die Gitterstäbe zu zählen. Ich drehe mich um mich und finde keinen Weg hinaus.
Mein Leben ist verfallen in eine endlos wiederkehrende Struktur aus Zwang, Pflicht und Versagen.
Sobald ich meine Augen aufschlage, wünsche ich mir, sie wieder zuzuschlagen.
Die einzige Kohle, die die Flamme in mir noch am Lodern hält, ist der Funken an Hoffnung, eines Tages die Augen aufzuschlagen und froh darüber zu sein, sie aufgeschlagen zu haben. Doch wird dieser Tag jemals kommen, wenn ich nie etwas verändere?
Entweder fühle ich mich, als hätte ich versagt, oder als verschwende ich meine Zeit.
Auf dem Weg zur Schule treffe ich mich jetzt immer mit meinem Schatten. Er heißt Depression. Wir gehen immer zusammen zur Schule. Er hat sich zwischen mich und meine Freunde gedrängelt. 
Oft kommt er auch mit mir nach Hause und sitzt neben mir, wenn ich versuche, mich zu konzentrieren. Dann lege ich meine Schulsachen beiseite und versuche, ihn zu überzeugen, wegzugehen. Doch manchmal bin ich ganz froh, dass er da ist. Dann fühl ich mich weniger allein...

Ich habe keine Lust mehr, das Leben zu leben, das ich lebe.
Der Stress schleißt sich in mein Blutsystem und lässt meine Venen verklumpen.
Dieses Schulsystem füttert mich nicht mit Wissen. Es füttert mich mit Steinen.
Und die kommen nicht in meinen Magen.
Sondern in meine Lunge.
Sie sind der Grund, warum ich so manchen Abend zusammengekauert in meinem Zimmer nach Luft schnappe, außer Kontrolle vor Tränen.
Dieses Schulsystem gibt mir keine Basis, auf der ich meine Zukunft errichten kann.
Es kommt mit einem Vorschlaghammer und zerstört das Haus aus Sand, das ich mir bereits ganz alleine gebaut hatte.
Es nimmt all meinen Stolz und all mein Ich, und will es zerquetschen wie ein Stück Knete, und anschließend rund formen, damit ich durch all die Löcher passe, die für uns vorgesehen sind.
Aber ich möchte nicht rollen. Ich bin keine Kugel.
Ich bin ein Vogel.
Darf ich meinen Käfig satt haben?

Ich habe diesen Käfig satt.

Der Moment des Verfassens dieses Briefes war ein Moment der Verzweiflung. 
Doch aus dieser Verzweiflung wuchs Hoffnung.
Und aus dieser Hoffnung gedeihte ein kleiner Spross, von dem nach und nach Zweige 
emporragten, Zweige der Möglichkeiten. 
Zweige der Zukunft.
Zweige, auf denen sich das eingesperrte Vögelchen aus meinem Brief
ein Nest bauen könnte. 
Und so schrieb ich weiter: 

Solange ich etwas hatte, dass als Abfluss dienen konnte für diesen stark konzentrierten Cocktail an Gefühlen, war alles okay.
Nicht gut, aber gerade so okay.
Okay genug, um es aushalten zu können.
Aber allmählich hatte ich an einer Maske gebastelt. Und bis heute habe ich keinen diese Maske vollständig durchblicken lassen.
Vielleicht aus Angst, was sich darunter verbirgt, die hässliche Wahrheit, ohne verschönerte Tragödien des schönen, traurigen Mädchens mit dem gebrochenen Herzens. Aus Angst, nicht anders zu sein als alle anderen. Aus Angst, nicht zu wissen, wer ich wirklich bin. Was mich von allen abhebt, wenn nicht das. Ob ich überhaupt interessant genug bin.
Ich.
Was ist das?
War ich wirklich die Person, die ich war, wenn ich alleine bin? Vielleicht ist das echte Ich ja auch die Anna, so wie sie sich in der Öffentlichkeit gibt? Aber was ist dann der Rest?
Es war ein tragisches Schauspiel. Und hinterm Vorhang hab ich immer geweint.
Denn tief drin wusste ich, ich reite ins Verderben.

Seit fast schon zwei Jahren wusste ich nun,  dass ich ins Verderben reite. 
Jetzt steh' ich vor dem Ortsschild des Verderbens. 
Und hab mich entschieden, umzukehren. 
Ich möchte doch nicht ins Verderben. 
Ich weiß zwar nicht, was es da draußen noch für Orte gibt, 
und ob dann vergleichsweise das Verderben vielleicht doch der bessere Ort ist,
doch wenn ich nicht gehe 
dann werde ich es nie wissen.
Und so schrieb ich weiter: 

Ich möchte nicht einfach nur leben. Und ich werde auch nie einfach leben. Das Einfache Leben als solches würde mich langweilen. Ich werde immer fordern, testen, riskieren, kritisieren und entdecken. 
Was ich sagen möchte, ist, ich wollte jemand tolles sein. Ich wollte überhaupt jemand sein.
Aber wenn das bedeutet hätte, dass all diese Gefühle für immer so laut sein werden würden und meine Tür fünfmal am Tag einrennen würden, dann mochte ich garnichts mehr sein.
Ich wusste auch garnicht mehr, wie das funktioniert, zu sein.
Ich wusste auch nicht, ob ich's lernen mochte.
Ich redete mir ein, dass es so nicht weitergehen konnte.
Und dann redete ich mir wieder aus, dass es sich jemals verändern würde.
Es ist ein ewiges Hin-und Her.
Und es gibt keine Konstante.


Diese Konstante muss ich mir jetzt bauen.
Aber das braucht Zeit.
Für ein Haus, in das meine Zukunftspläne einziehen können, 
brauche ich zunächst ein Fundament aus motivierenden Gedanken und gesunden Auffassungen.
Die glücklichen Fundamente, die halten besser.   
Aber wenn mir da fünftausend Architekten und Bauunternehmer hineinpfuschen
und meinen, sie wüssten es besser, wie man ein Fundament gießt
oder ob die Nägel nach Süden oder Westen zeigen sollen, 
dann hör ich sie mir an, 
aber schicke sie dann wieder von meiner Baustelle.
Denn das hier ist jetzt meine Baustelle. 
Und mein Spross.
Und mein Zweig. 
Und wenn er abbricht, dann bricht er eben ab.
Dann such' ich mir einen neuen.
Kein Vogel würde sich missmutig in einen Busch verkriechen und herumnörgeln.
Er würde immer und wieder ein neues Nest bauen,
bis er zufrieden ist mit seinem Werk.
Und dann legt er die Eier. 
Ich kann keine Eier legen ohne ein Nest.
Ich kann keine Räume dekorieren ohne stabile Wände.
Und ich kann nicht glücklich werden ohne eine offene Käfigtür.

Ich hab in den letzten 1,5 Jahren viel mit mir vereinbahrt, was ich nicht mit mir hätte vereinbaren müssen.
Ursprünglich war ich immer der Auffassung, dass derjenige, der dem Schmerz entgegenhält 
ohne auszuweichen, der Starke ist.
Derjenige, der alles diszipliniert und gnadenlos durchzieht,
der alles wegzustecken scheint, ohne sich zu beschweren. 
Doch es hat mich zeitweise mein eigenes Lachen gekostet,
um zu realisieren, dass der Starke eben auch derjenige ist,
der sich nicht alles gefallen lässt, der nicht alles erträgt und 
nicht mit zwei abgehackten Beinen noch immer auf dem Schlachtfeld herumkriecht.
Stark sein bedeutet auch, Niederlagen zu erleben, den Sand abzuschütteln und weiterzumarschieren,
aber diesmal vielleicht in eine andere Richtung.
Frieden schließen können mit vergangenen Wunden, und loslassen zu können 
von den festgefahrenen, schadhaften Mustern. 
Reflektieren, Diskutieren, Kontemplieren. 
Den individuellen Weg für seinen eigenen Geist finden. 

Ab sofort höre ich auf mein Bauchgefühl.
Das kennt den Weg. 
Und es gibt immer einen anderen Weg.

Sich einzugestehen, dass man am Ende seiner Kräfte ist,
ist kein Tiefpunkt, kein Fehler, keine Schwäche. 
Es ist ein Hochpunkt des Mutes und ein erster Schritt in die richtige Richtung.
Und diesen ersten Schritt bin ich jetzt gegangen. 
   Wann gehst du ihn?                 


Sonntag, 6. September 2015

Die Epidemie der Perfektion

--- Attention attention : Dieser Post enthält provokative Inhalte bezüglich bestimmten Lebensweisen und könnte eventuell Personen kränken, die aus krankheitlichen Gründen mit einem gesunden Essverhalten ringen. Das liegt auf keinen Fall in meiner Absicht, deshalb hoffe ich, dass sich die richtigen Personen mit diesem Post angesprochen fühlen. 
Ich hab euch alle lieb. xx --- 


Ist es mir bloß noch nie aufgefallen, oder nimmt dieser Fitness- und Dünnheitswahn eine extreme Wendung an?

Hab ich bloß nie hingeschaut, oder wird plötzlich wirklich jeder immer und immer dünner?

Es scheint mir, als würde jeder um mich herum demselben Teufelskreis verfallen. 
Oh, alle hören auf, zu essen? Muss ja was dran sein. Lass' mal mitmachen.
Die „my_healthy_body“ Profile häufen sich wie Sand am Meer. Tausende Menschen, bzw Frauen vergöttern ihren Traum vom perfekten Körper und des gesunden Lebensstils und zentrieren ihr ganzes Leben um genau diesen Punkt.
Und das ist ja auch okay, wenn sie das tiefenglücklich macht.
Doch die Niesche zwischen gesunder Ernährung und gefährlicher Störung des normalen und intuitiven Essens ist verdammt schmal.
Verdammt schmal.
Und es macht mich so traurig, zu sehen, für wie viele diese Niesche einfach zu schmal ist.
Wie viele drauf ausrutschen und auf gutem Wege sind, sich selbst und ihr gesamtes Stoffwechselsystem zu zerstören.
Denn da gibt es die positiven Accounts mit guten Absichten, die voller Motivation und Selbstliebe sprühen, und da gibt es die, die das ganze in den falschen Hals kriegen. 
Vorallem die junge Generation ist besonders anfällig für diese moderne Epidemie der psychischen Erkrankungen. 
Und Social Media gibt dem ganzen dann den schimmernden Glanz. 
Frei nach dem Motto "Einer springt von der Klippe, alle anderen hinterher". 

Und ich würd sie gern alle retten. Aber ich kann gar niemanden retten.
Ich kann höchstens reden, schreiben, und versuchen, in ihre Köpfe und Herzen zu gelangen als jemand, der sich einfach nur wünscht, dass sie glücklich sind.
Denn wenn du einmal drin bist, dann musst du kämpfen, full power, 100%, egal, wann, egal, wo.
Dafür, das einzusehen, habe ich anderthalb Jahre gebraucht. 
Hach gott, all die Stunden, in denen ich in melancholisch-romantischer Laune auf mein Müsli gestarrt habe und mich gefragt habe, was wir Menschen für ein Problem haben. 
Die Antwort hab ich dennoch nicht in diesem aufgeweichten, nach Pappe schmeckenden Chemiezeugs gefunden.

Das Problem hat sich erst tief in mich reinfressen müssen, ehe ich erkannt hab, dass sich das Problem nicht in mich reinfressen darf.

Wie eine Schlange, die sich immer wieder häutet, lass' auch ich meine alten Häute hinter mir; die schüchterne Haut, die ängstliche, depressive Haut, die Haut, die gehasst hat, eine Haut zu sein.
Und so lasse ich jetzt auch diese Haut hinter mir; die Haut, die keine Haut war, sondern ein Schaf.
Ein Herdenschaf.
Ich hab mich gehirnwaschen lassen.
Habe zugelassen, dass sich das irrsinnige Prinzip der Dünnheit in meinen Gedanken festsetzt.

Aber mal ehrlich, hands down, es ist scheiß egal, wie du aussiehst. Wenn deine Persönlichkeit glänzt, hast du schon dreifach gewonnen!

Und wie kann eine Persönlichkeit glänzen?
Durch Natürlichkeit und Invididualität.
Nicht durch einen Kaffee zum Frühstück, einen Apfel zum Mittag und ein trockenes Brot zum Abendessen.
Nun, natürlich gibt es Essstörungen, die sich aus völlig anderen Ursachen entwickeln und einem psychologisch weitaus tiefer liegenden Problem zu Grunde liegen.
Und ich versuche nicht, so zu tun als würde ich alles darüber wissen, denn ich weiß nicht alles darüber. Und bei jedem sieht die Gesamtsituation sowieso anders aus. 
Aber ich versteh' durchaus etwas vom Kampf, glücklich zu werden. 
Und für mich ist der erste Schritt dabei, zu erkennen, was einen auszeichnet.
Und da dürfen wir ruhig ein bisschen überpositiv sein.

Fegen wir die Selbstkritik doch einfach mal den Gulli hinunter, heute wird sich nicht gehasst, das haben wir schon unser Leben lang gemacht.

Ich finde, es ist an der Zeit, sich mal wieder zu lieben – in den Spiegel zu schauen und zu sagen, hey, das bin ja ich!

Ja, das bin ich.
Genau so wie ich mich in diesem Spiegel sehe. Das sind meine Beine, meine Arme, meine Muttermale, meine krumme Nase, meine farblosen Augen, meine Segelohren, meine schiefen Finger, meine Kurven, meine Narben, meine Knochen, meine Muskeln, und mein Fett. Das bin ich. Das ist alles meins. Und das akzeptiere ich heute ausnahmsweise mal alles.
Ich muss mir nicht vorheucheln, wie hübsch ich bin.
Das führt zu nichts, weil dem kein ehrliches Gefühl zugrunde liegt.
Aber genauso muss ich mir auch nicht vorheucheln, wie hässlich ich doch bin.
Denn das führt auch zu nichts.
Ich muss mir nicht vorheucheln, dass ab heute alle meine Probleme verflogen sind, und dass ich ab heute glücklich sein werde.
Denn es wird der Moment kommen, da merk ich, hey, die Probleme sind noch da. Und glücklich bin ich auch nicht.
Mist.
Glücklichkeit kommt nicht automatisch immer mit den purzelnden Pfunden. 
Wenn es mich glücklich macht, Schokoladenkuchen zu essen, dann esse ich doch meinen Schokoladenkuchen und bin glücklich. 
Aber das darf man ja heutzutage nicht. Kuchen genießen. Uh la la. Na, wenn deine Jeans morgen wohl auch noch passt. 
Sich einzugrenzen und sich bestimmte Dinge zu verbieten bringt meiner Ansicht nach überhaupt nichts positives mit sich. 
Und sich unter Druck zu setzen hat zumindest meine Situation nur noch verschlimmert.
Man kann eine Stichwunde eben nicht mit einem Messer verarzten.

Mein Vater hat mir letztens geschrieben: Anna. Es gibt nur einen Weg für dich, glücklich zu werden und zu bleiben. Das ist der Weg, dich so anzunehmen, wie du bist. Auf dein Bauchgefühl zu achten und zu vertrauen!
Und genau das, finde ich, ist eben so schwierig in unserer Gesellschaft.
Die Magazine schreien: 5 DIÄTEN, DIE DIR IN KÜRZE DEN ULTIMATIVEN TRAUMBODY LIEFERN!!
Die Prominachrichten berichten: Christina Aguilera hat 2 Kilo zugenommen – die Welt ist erschüttert. Wie konnte sie nur?!
Die Magazine versuchen, dazwischen zu funken: Die 10 cremigsten Tortenrezepte - schnell gemacht, super lecker! 
Doch Instagram fällt ins Wort: Hallo, du da, hast du heute auch gesund gegessen? Und warst du denn auch im Fitnessstudio wie wir alle? Hm? HM??
Da beginnen die Magazine wieder: 10 wirksame und völlig harmlose Diät-Tabletten – 9 von 10 Frauen waren begeistert!
  • Ja, denk ich mir. Und die eine Frau, die übrig blieb, ist zur Vernunft gekommen und hat sich 'nen Therapeuten gesucht.

Aus allen Ecken wird dir gesagt, wie du zu sein hast. Sei dünn und erfolgreich. Nein, sei dick und natürlich. Nein, sei sportlich und motiviert. Nein, sei du selbst. Aber bitte nicht zu sehr, das ist eitel.
Ohne makeup biste' hässlich, mit Makeup billig und fake. Ohne Markenkleidung arm, mit Markenkleidung angeberisch.
Wenn deine Oberschenkel sich berühren, bist du fett. Wenn nicht, sofort magersüchtig.
Deine natürlichen Haare sind langweilig und öde, aber sobald du sie dir frisierst, hast du ein Problem damit, dich so anzunehmen, wie du bist. Über deine Probleme reden ist aufmerksamkeitsgeil, schweigen viel zu zugeknöpft. Flirten macht dich zur notgeilen Bitch, Leggings tragen sowieso. Zeig dich, zeig dich nicht. Komm raus, versteck dich. Komm her, geh weg. Lieb dich, hass dich.
Meine Güte nochmal.
Egal, wie viel du isst; auf den Teller starren sie dir alle sowieso immer.
Kein Wunder, dass die Essstörungs- und Depressionsstatistiken in die Höhe schießen.
Bei dieser Gesellschaft will man sich doch wirklich am liebsten sofort erhängen.
Wen interessiert's, wer die Seele ist in diesem Körper.
Mit weniger als 300 Tinder Matches will doch eh keiner mit mir befreundet sein.
Heute wird sich verliebt in geile Ärsche und braun-gebrannte Sixpacks, und nicht mehr in ungehemmtes Lachen und süße Angewohnheiten.
Gibt's da draußen überhaupt noch echte, individuelle Jugendliche? Die... wie heißt das noch so schön, …, sich treu bleiben? Weiß da draußen noch jemand, wie das überhaupt nochmal geht, sich treu bleiben? Menschen, die in Freiheit leben. Menschen, die aufblühen wollen und nicht absichtlich eingehen weil das cool ist.
Menschen, die sich nicht begrenzen auf ihr Spiegelbild; die nicht schrumpfen wollen weder am Bauch noch im Kopf.
Menschen, die sich nicht halb verrenken, um beim Spiegelselfie möglichst dünn auszusehen (Hand aufs Herz, wir tun's doch alle..) 
Was bringt es uns? Die Aufmerksamkeit, die ich von Leuten bekäme, würde ich dünner und hübscher sein, ist die Art von Aufmerksamkeit, die ich abscheulich finde. 
Ich werte innere Stärke, Ehrlichkeit und Individualität. 
Ich find die Menschen cool, die keinen Bock haben, jedem zu gefallen. 
Menschen, die nein sagen zu dem, was ihnen vor die Füße geworfen wird. 
Trag das. Mach das. Sag das. - nööö. 
Menschen, die stopp rufen.
Ich rufe jetzt stopp.
Ich hab' unheimlich Angst, gegen den Strom zu laufen – aber ich renn' jetzt trotzdem woanders lang.
Es kostet Mut, anders zu sein.
Also lasst uns doch einfach ausnahmsweise mal mutig sein.
Ist es das Leben nicht wert, mehr zu sein als nur heiß, beliebt, dünn und hübsch?

Während alle danach streben, zu schrumpfen, möchte ich nach außen wachsen.
Zumindest möchte ich es wollen. Aber die tausend Stimmen der Gesellschaft hängen mir auch schon in den Haaren wie Öl.
Sobald ich versuche, eigenständig zu denken, legt sich die Gesellschaft wie ein Instagram-Filter über meine Gedanken. Möglichst wenig Kontrast, möglichst wenig Saturation, so wenig Persönlichkeit wie es nur geht.
Aber ich schreibe jetzt und hier, um euch aufzurufen, anders zu sein.
Lasst diese Generation keine tragisch-traurige Revolution werden, die sich durch flawless Photoshop-Lügen betäubt. 
Lasst uns unsere echten Gesichter offenbaren.
Lasst uns anfangen, über die Dinge zu reden, die uns auf den Sack gehen.
Einstecken war gestern. Traurig sein ist nicht cool. Und psychische Störungen sind kein goddamn Wettbewerb.
Also nicht rumsitzen und Opfer spielen. 
Kopf hoch, Krönchen richten, Zepter aufheben und weitergehen. 
Lasst uns scheinen von innen, nicht nur von außen. 



Freitag, 7. August 2015

Leb' doch einfach


Ich bin jetzt 16.
Und ich tu einfach mal so, als hätt ich nen Plan.
Dabei hab ich mich so richtig verfahr'n, und steh' jetzt auf der Standbahn, mit Warnblinkern an, und mein Handy hat mal wieder keinen Empfang.
Vielleicht ist das normal, so mit 16. Midteenagecrisis oder so, ich hab ja keine Ahnung, war ja noch nie 16… Aber 16 fühlt sich an wie ein herbstlicher Dienstagmorgen vor Sonnenaufgang, dessen Kälte in deine Ärmel kriecht. Wie 'ne fette Party auf'm Friedhof.
Sag, was du willst, für mich ist es in gewisser Art und Weise der Anfang des Endes. Ist mir egal, wie lang ich noch leb. Ab jetzt lauf' ich mit aller Sicherheit auf's Grab zu. Nein, ich korrigiere - auf's Grab zugelaufen bin ich schon immer. Jetzt ist mir jedoch erst vollends bewusst, dass ich auf's Grab zulaufe.
Schluss mit Lustig, jetzt beginnt der Ernst des Lebens. Obwohl ich immer dachte, der fängt schon bei der Einschulung an.
Plötzlich werde ich gefragt von allen Seiten, wann ich denn Führerschein mache. Oder was ich studieren möchte. Was ich für Kurse hab. Wo ich später arbeiten möchte. Und wie ich mir das denn vorstelle. Und ob ich mir da sicher sei. Und ob ich denn einen Backup-Plan hab. Und ob das nicht zu riskant sein. Und was ich mir bei der Finanzierung gedacht hätte. Und ob ich dafür überhaupt gut genug sei.
Jetzt, mit 16, darf ich ja auch offiziell in den Genuss der ersten alkoholischen Getränke eingeweiht werden. Und wie sie sauft, die Jugend heutzutage - ab jetzt geht's für euch nur noch bergab, hier habt ihr Alkohol, seid still. 
Mal ganz ehrlich, Alkohol schmeckt doch scheiße. Bier, Vodka, Korn, dieser ganze farbige Trunk. Und doch heben wir alle die Gläser. Es ist fast so, als könne man diese Welt auf lange Zeit nur vergiftet ertragen.



Was ist eigentlich mein Problem, frag ich mich jeden Tag.
Du hast doch alles. Leb' doch einfach. 
Und ich geb' ja mein Bestes. Wache auf jeden Tag, zieh' mich an, verlass' das Haus, lache mal, weine mal, feier 'n bisschen, leide 'n bisschen. Komm wieder heim und warte, bis ich schlafen geh.
Dröhne mich voll mit David Guetta und Eminem und versuche, bloß nicht zu denken. Denn wer denkt, der muss auch was rausfinden, aber ich finde nichts, ich suche nur.
Die Tage häufen sich, an denen ich einfach stehenbleib' und meinen Kopf in den Sand stecke.
Bin neidisch auf die, die toll sind, und genervt von denen, die glücklich sind.
90% von dem, wie Leute mich beschreiben würden, ist Fassade.
Eine sichere Fassade, die meine selbstbewusste, neugierige und starke Seite zeigt.
Eine lebensnotwendige Fassade, denn alles dahinter ist instabil und unbeständig.
Sie verbirgt Angst und Hilflosigkeit. Aber wovor hab ich denn Angst? Warum denn hilflos? Du hast doch 'n Ziel. Du machst doch dein Ding. Leb' doch einfach. 
Und ich geb' ja mein Bestes. Predige allen, wie ich später in London studier', und welche Länder ich denn alle auf meiner Weltreise durchqueren will und muss ihnen dann versprechen, sie in meiner Oscar-Rede zu erwähnen und sie auch mal fein meinen Nobelpreis streicheln zu lassen.
Und dann lachen wir und das Leben geht weiter, und weiter, und weiter, und ich höre auf, zu lachen, und höre auf, zu gehen. Denn ich bin nicht ehrlich zu mir selbst.
Ich werd' weder Oscars noch Nobelpreise streicheln. Ich weiß nicht mal, ob ich das kann, was ich will, ob ich schaffe, wovon ich träume, wenn meine kleine eigene Welt zu schwer wird. Ich bin doch auch nur ein kleiner Mensch, der manchmal vergisst, wie das mit dem Laufen nochmal gleich funktioniert.
An solchen Tagen bleib' ich lieber im Bett, aus Angst, wieder zusammenzubrechen, sobald ich es wage, auf meinen eigenen Beinen zu stehen.
Denn wer nicht wagt, der verliert auch nichts.
Ich hab mal gewagt, und hab was verloren, das mir sehr lieb war.
Das war ich selbst.
Und ich hab überall gesucht, hab für mich gekämpft und Kriegswunden davongetragen.
Doch den Sieg kann ich noch lange nicht verkünden.
Ich bin mir nicht mal mehr sicher, ob Sieg überhaupt das ist, wofür ich hier bin.

Früher, als ich noch ein Kind gewesen bin, da hab ich mir zum Geburtstag den Playmobilzirkus gewünscht oder 'ne Murmelbahn, und das reichte mir. Ich war glücklich, denn ich kannte nur Glück.
Aber heute?
Was ich heute auf meine Wunschliste schreiben würde, gibt's nicht für 9,99 Euro bei Toysrus.
Inneren Frieden kann man nicht im Katalog bestellen.
In gewisser Weise bin ich froh für mein Ringen mit mir selbst. Denn ohne Schmerz ist auch Freude wertlos.
Ich denke, wenn du noch nie so tief gefallen bist, sodass du deinen Lebensmut vollständig verloren hattest, dann wirst du auch nie wirklich wissen, wie schön fliegen ist. Und wie wichtig fühlen ist.
Aber mich macht es traurig, dass ich nicht mal für 15 Minuten auf einer Wiese liegen könnte und einfach die Wolken beobachten könnte, ohne dass meine verfluchten Gedanken wieder in mein Ohr kriechen und mir all diese Fragen stellen würden, auf die ich selber keine Antwort habe.
Wer könntest du sein? Wirst du jemals dein Leben in den Griff kriegen?
Natürlich sind das überwiegend Fragen, die sich jeder an einem Punkt in seinem Leben stellt. Aber wieso scheint es mir so, als würde jeder damit irgendwie umgehen können und ich bin die einzige, die daran immer tiefer verzweifelt?

Je weiter ich die Augen öffne, desto stärker wird das Verlangen, sie einfach wieder zu schließen. So viel Misere, die uns alle zerstört, ob wir's wollen oder nicht. Keiner ist wirklich, wie er scheint. Jeder hat seine Leichen im Keller. Und wenn die Sonne aufgeht, tragen sie alle dasselbe trügerische Lächeln. Ist das nicht krank?
Letztendlich rennen wir alle umher wie kleine Ameisen.
Aber die anderen, die scheinen wohl nicht nachzudenken, wohin sie überhaupt rennen.
Die rennen einfach.
Aber ich hab keinen Bock mehr. Ich will nicht einfach vor mich hinwatscheln.
Ich möchte jemand sein, der weiß, was er will, und das dann einfach macht.
Und jemand, der das dann auch schafft, egal, wie viele Steine ihm in den Weg gelegt werden.
Ja, aber warum bin ich das dann nicht einfach? Mach doch einfach. Sei doch einfach. Leb' doch einfach.
Einfach.
Einfach...
Ich weiß nicht, ob ich lachen oder weinen möchte. Vielleicht beides.
Entweder ich fahr' jetzt Richtung 'Leb' doch einfach', oder Richtung ''.
Ich glaub, ich nehm letzteres. Is zwar 'n Umweg, aber ich hab da so ein Bauchgefühl.
Ich hab zwar Weg und Verstand verloren, hab auch keinen Backup-Plan, keine finanziellen Absicherungen für die nächsten 20 Jahre und nein, ich hab nichts im Griff, tut mir Leid, ja ich weiß, diese Jugendlichen immer, in ihrer rosaroten Blase. Meine Blase ist nicht rosarot. Meine Blase ist schwarz.
Ich kann grad nichts sehen, ich kann nur fühlen.
Und das ist im Moment alles, was ich kann.
Denn ich bin erst 16.



Sonntag, 7. Juni 2015

Ich bin wieder erwacht

Es ist nicht fair, einfach zu verschwinden, ohne ein Wort, ohne ein auf Wiedersehen.
Es ist nicht fair, diesen Blog mühsam und leidenschaftlich aufzubauen und ins Herz zu schließen und dann einfach so zu tun, als hätte es ihn nie gegeben. 
Und ich möchte mich all denen gegenüber entschuldigen, die seit Monaten auf diesen einen Blogpost warten, auf diesen einen Post, der alles abschließt. 

Aber ich schulde euch einen glorreichen Abschied, mit Konfetti, Champagner und Feuerwerk, denn ihr, im Gegensatz zu meiner Wenigkeit, seid diesem Blog meines Wissens stets treu geblieben. 

Sodenn, lasset die seidenen Vorhänge fallen, das hier ist mein Debüt. 
Der letzte Atemzug von Einmal um die halbe Welt
Mein Auslandsjahr ist vorbei. 
Dieses Kapitel meines Lebens ist zuende. 
Wir befinden uns auf der letzten Seite des Buches. 
Zeit für einen kleinen Rückblick.




Ich bin 363 Tage auf Abenteuerreise gewesen. 
Mein fünfzehntes Lebensjahr habe ich im Grunde genommen komplett im Ausland verbracht. 
Und es war kräftezehrend. Spannend. Aufrüttelnd. Überwältigend. Bewegend.
Doch ein Wort, dass das ganze Jahr zusammenfast, ist Entwicklung.
Ich hab' mein deutsches Nest verlassen, da konnte ich noch nicht fliegen. 
Der Flug von Hamburg nach München ist mein erster Flug gewesen, sowohl wortwörtlich als auch metaphorisch.
Ich war damals theoretisch noch ein Kind. Wusste noch nicht viel weder über mich noch den Rest der Welt. 
Ich bin in ein Abenteuer gestolpert, das mich weit über meinen Horizont getragen hat. 
Das klingt alles so bilderbuch-poetisch, als würde ich hier ganze Paragraphen aus irgendwelchen Reisewerbeprospekten kopieren. Aber nein, ich schreib' ausschließlich vom Herzen. Das ist wohl die für mich am bedeutsamste Erkenntnis. Dass ich ein Herz habe, das schlägt. Es schlug vorhin, und es schlägt jetzt, und gleich wird es auch noch schlagen.
Und ich habe zwei Augen, die mich die Welt sehen lassen.
Und ich habe zwei Füße, die mich durch die Welt tragen. 
Und ich habe ein Gehirn, das mich die Welt verstehen lässt. 
Ich bin hier, auf dieser Welt, ich bin am Leben, genau jetzt, und das ist so gewollt. 
In Australien bin ich jemand geworden. Jemand, der ich nie geworden wäre in Deutschland. Und jemand, auf den ich stolz sein kann. 


Wisst ihr, mein Auslandsjahr war nicht nur rosig und perfekt und ein Märchen. Es war keinesfalls ein Dauer-Urlaub. Das Jahr ist auch ein harter Kampf gewesen. 

Mir haben die extremen Lebensumstellungen sehr zu Schaffen gemacht, auch, wenn es in meinen Posts nie so den Eindruck danach erweckt hat. Denn die hab' ich geschrieben, wenn ich 'n fröhliches Eichhörnchen gewesen bin. Aber hinter den Kulissen spielt sich viel ab, von dem niemand wirklich was mitbekommt. 
Auch die Rückkehr nach Deutschland war alles andere als einfach. 
Jeder kannte mich noch. Aber niemand kannte mich mehr. 
Man hat nicht nur ein Auslandsjahr im Ausland. Man hat nochmal eins, wenn man wiederkommt.
Es war mir fast schon ein bisschen unheimlich; wie ein Zuhause so vertraut und doch zugleich so fremd sein kann. Der Fakt, dass meine Mutter sämtliche Küchenschränke und Schubladen ausgeräumt und umgeräumt und umgetauscht und neu sortiert hat, hat es mir nicht gerade erleichtert, hehe. Da kannte ich mich besser in einer Küche 14.000 km entfernt aus als in der Küche, in der ich aufgewachsen bin. Hm.
Auch das Angeln nach der korrekten deutschen Formulierung isn't quite as easy as i thought. Letzte Woche habe ich nach langem verzweifelten Raten nach einer passenden deutschen Übersetzung einfach den englischen Satz in meinen Kunsthefter übertragen.
Ja, und meine Eltern mussten auch so einige Male schmunzeln, als ich auf der Suche nach Begriffen wie "Kontostand" oder "Kriminalakte" mit Händen und Füßen um mein Leben artikulieren musste.
Und die Schule? Tja, nach einem Jahr Pappgiraffen basteln und Lion King analysieren hatte ich sichtlich wenig Ahnung weder von Logarithmen, noch von Proteinbiosynthese oder den politischen Taktiken der Großmächte nach der Kapitulation Deutschlands. 
Jetzt, nach fünf Monaten Deutschland, fühle ich mich zwar nicht mehr wie ein Flamingo zwischen Pinguinen, den Zustand der vollkommenen Vollkommenheit habe ich allerdings noch nicht erreicht. Und das wird glaube ich auch immer so bleiben. Irgendetwas wird mir immer fehlen. Jedoch ist das ein schönes Fehlen. Mehr so ein Fehlen, das an die Freiheit erinnert, so wie das Vögelzwitschern an den Frühling erinnert.
Meine kleine Gastschwester hat heute wieder in die Webcam gerufen; Anna i love you so much, i want to play with you, can you come back please?
Und der Plan steht; gleich nach meinem Abi besorg' ich mir gefälschte Papiere, schneid' mir nen Bob, überfall' 'ne Bank, oder fünf, buch' nen Last Minute Flug und here i come, down under! - nein, meine Lieben, ich mach doch nur Witze, ich würd' mir niemals 'nen Bob schneiden! ;)

Das mag vielleicht das Ende meines Auslandsjahres sein - aber es ist erst der Anfang meines Lebens.
Ich werd' doch noch weiter plätschern und noch so viele Pappkartons durch Innenstädte tragen, daran kann ich noch nicht mal im Traum denken. 
Und all die Galeeren, die mich noch stechen werden (oder nicht) - nicht nur portugiesische, vielleicht ja auch mal kanadische Galeeren, oder italienische, oder vielleicht die Chinesischen?
Große Ziele sind das, was uns den Willen gibt, die Treppen hochzulaufen. Und kleine Ziele sind die Stufen, die uns dorthin bringen, wo wir gerne mal sein möchten. 
Und hell yeah, hab' ich große Träume. 
Früher hatte ich Angst, sie zu erzählen. Angst vor Kritik und Zurückweisung. Angst, mich zu offenbaren, was bloß die anderen denken könnten, ach herrje - SCREW THEM. 
Screw them all!
Das ist mein Leben. Ich habe dieses eine Leben, und das lebe ich jetzt. Ich habe im warsten Sinne des Wortes keine Zeit, mich darum zu scheren, was die anderen denken - pff. Sollen se' doch denken. Ich kann sie doch eh nicht aufhalten. Also lass' ich mich auch nicht von ihnen aufhalten.
Vor Australien war ich zwar glücklich, irgendwie, aber zurückblickend sehe ich es heute eher so; ich hatte nichts, worüber ich hätte traurig sein sollen, also war ich eben glücklich. 
Doch ohne mein gewohntes Umfeld, meinen Freundeskreis, meine Familie, mein kleines aber feines norddeutsches Dorf, was macht mich glücklich, wenn alles plötzlich ausgetauscht wird durch etwas so… Fremdes?
Wer bin ich vor einer weißen Wand? 
Was ist Glück überhaupt? Und wer verdient es, glücklich zu sein? 
Die Suche nach dem Glück hat mich allerdings alles andere als glücklich gemacht. 
Also habe ich aufgehört, zu suchen, und habe begonnen, zu vertrauen. In den Lauf des Lebens, auf dass mein Schutzengel auf mich aufpasst und auf dass mein Schicksal es wohl gut mit mir meint. Klingt so naiv - ist aber wirksam.

Verschwende keine Energie, dich über Zustände aufzuregen, die du sowieso nicht beeinflussen kannst. 
Wenn es geschehen ist, lass es gehen. 
Wenn es noch geschieht, lass es auf dich zukommen. 
Und wenn du es ändern kannst, dann sitz nicht rum und jammer', sondern änder' es!

Ich stell' mir gern eine Flamme vor, die in jedem von uns brennt. 

Diese Flamme steht für alles, was wir sind und wofür wir stehen. 
Manche lassen sie lodern, um sich warm zu halten - andere ersticken sie, um nicht Gefahr zu laufen, sich zu verbrennen. 
Wenn ich jetzt zurückblicke auf mein Leben vor Australien, dann denke ich nur, wie ich meine Flamme verschwendet habe. Was ich schon alles hätte erreichen können, hätte ich mich bloß getraut. Hätte ich doch nur, ja hätte ich.
Aber jetzt habe ich. Und jetzt mache ich. Und meine Flamme, die lodert nicht so 'n bisschen. Die setzt ganze Städte in Brand. 
Und wenn ich einen Traum habe, dann bin ich bereit, für diesen Traum zu brennen. 
Diese Flamme kann kein Wasser ersticken. Wenn ich eins bin, dann bin ich zäh. 
Ich sage damit nicht, dass ich alles kann und alles können werde.
Ich bin nicht perfekt. Aber ich will auch nicht perfekt sein. Das perfekte Leben für den perfekten Menschen kann sich mal. 
Ich möchte unperfekt sein. Nicht, weil ich denke, dass ich nicht mehr wert bin.
Unperfekt ist interessant. Unperfekt ist unerwartet und aufregend. Ohne Ecken, Kanten und Kurven läuft man doch immer nur in eine Richtung. 
Ich weiß, dass einen viele Menschen immer liebend gerne verändern würden. Aber ich bin so, wie ich gerne sein möchte. Und wenn das heißt, dass ich mir dreimal im Monat die Haare umfärbe, dann ist das eben so. Und wenn das jemandem nicht gefällt, und er meint, mich deshalb nicht akzeptieren zu können, dann ist das eben auch so. 
Früher hab' ich mir so unglaublich viele Sorgen gemacht, um alles und jeden. Aber ich glaub, ich hab' mir unbewusst 'ne nette Kopie vom australischen 'Easy going' Lifestyle gezogen. 


Aber müssen sich unsere Wege jetzt etwa auch trennen?
Werde ich jetzt einfach von der Bildfläche verschwinden und in Vergessenheit geraten? Bin ich der kleine Gedanke, der hochkommt, wenn ihr gelangweilt durch Facebook scrollt und euch fragt, was eigentlich aus diesem einen Mädchen mit dem Blog geworden ist?…
Ich finde die Vorstellung, ein Gedanke zu sein, in der Grundidee durchaus verlockend, aber herrgott im Himmel doch bitte kein sterbender Gedanke.
Dieser Blog hat zwar seinen Zweck erfüllt, aber Schreiben hat sich dieses Jahr von einer kleinen Idee zur starken Leidenschaft entwickelt, und deshalb wird das hier definitiv NICHT das letzte Mal sein, dass ihr von mir hören werdet, ob ihr wollt oder nicht mwuhahaha *evil laugh*.
Ich hab lange überlegt, ob ich diesen Blog in den Ruhestand schicken möchte und einen neuen zum Leben erwecke. Aber ihr kennt das doch bestimmt mit den ersten Sachen. Das erste Wort. Der erste Zahn. Das erste Fahrrad. Der erste Schultag. Das erste Haustier. Die erste Liebe… der erste Blog.
Wir sind zusammen gewachsen, und auch wenn ich mich schon 16 Jahre lang mit meinen Beinen fortbewege, habe ich dieses Jahr erst richtig laufen gelernt. Mit euch.

Dieser Blog wird sich bald einer Komplettveränderung unterziehen müssen, und wird hoffentlich in derselben Pracht aufblühen wie letztes Jahr.
Bis dahin wünsche ich euch einen hoffentlich warmen Sommeranfang. Und wenn die Sonne schon nicht am Himmel scheint, dann tut mir einen Gefallen und lasst sie wenigstens in euren Augen scheinen.
<3


Ps. Es folgt noch ein Post über alles, was dieses Jahr passiert ist mitsamt unzähligen von Bildern und insklusive meiner Nahtod-Erfahrung auf Rottnest Island und einer detaillierten Schilderung meiner zaghaften Annäherungen der deutschen Kultur hehe ;) 

Und ein fettes DANKE an alle, die seit fünf Monaten von mir enttäuscht wurden - ich sehe eure Kommentare und lese die Emails, es tut mir so Leid. Ab jetzt geht's wieder bergauf! 







Dienstag, 17. Februar 2015

Worte über die Wortlosigkeit

Hallo…

Seit einem Monat bin ich wieder in Deutschland.

Und ich weiß, dass viele wieder sehr lange auf diesen Post hingefiebert haben.
Ich hatte mal irgendwann 'ne Idee für 'ne Art Fazit über mein Jahr, irgendsowas tiefgründiges über die Schönheit in den sterbenden Momenten und wie aufregend und faszinierend das Leben doch ist, aber diesen Entwurf hab ich nie beendet.
Oft saß ich schon davor, doch je öfter ich die schon geschriebenen Zeilen gelesen hatte, desto mehr wollte ich alles löschen und meinen Blog einfach vergessen. Australien vergessen.
Einfach wegrennen. 
Wovor wusste ich allerdings auch nicht genau. 

Deshalb vergessen wir mal dieses Schöngeschreibe und Poetische und kommen mal alle runter von unserer Palme auf den Boden der Tatsachen. 
Jetzt habt ihr ein Jahr lang mein Abenteuer verfolgt. 
Ich hab euch mitgenommen ins Outback, hab euch an zalhreichen Sonnenuntergängen teilnehmen lassen, ihr seid mit mir in die Schule gegangen und auf Versicherungsjagd, habt euch fünf Mal am Tag mit mir nassregnen lassen, mit mir im Ozean nach meinem Handy gefischt, seid mit mir auf Fiji Nemo suchen gegangen und bei 40 Grad unter dem Ventilator verbrutzelt. 
Ihr habt alles erlebt und mitgefühlt, was ich gefühlt habe. 
Auch den Stich der portugiesischen Galeeren. 
Unsere alte Freundin. 
Und als Außenstehender könnte ich mir vorstellen, wirkt mein Jahr nicht perfekt, aber ziemlich verdammt nah dran. 
Aber ich habe auch auf Berge klettern müssen, die niemand gesehen hat. 
Ich bin ein ehrlicher Mensch und mir ist es wichtig, dass das, was ich euch erzähle, der Wahrheit entspricht.
Dieser Blog hatte nie die Absicht, das Auslandsjahr in diesen rosaroten Schimmer zu tauchen und falsche Erwartungen aufzublasen wie einen Luftballon, der für so viele Menschen höchstwahrscheinlich früher oder später zerplatzen wird. 
Denn wie heißt es so schön, es gibt keinen Regenbogen ohne ein bisschen Regen.
Und ein Auslandsjahr ist hart. Sehr hart. Es ist anstrengend und kräftezerrend und verwirrend. Aber was ist schon ein Auslandsjahr. 
Das Jahr deines Lebens.
Ein Abenteuer.
Eine Herausforderung.
Eine Möglichkeit.
Ein Fluchtweg.

Für mich, von allem ein bisschen. 
Und je länger ich in zurück in Deutschland bin, desto stärker ist das Verlangen, wieder zu fliehen. 
Ich würde euch liebend gern in der euphorischen Art, die mein Blog so pflegt, von den letzten Wochen in Australien erzählen und dem last minute packing und den rotvioletten Haaren und dem Rückflug und wie schön es war, alle wiederzusehen und dass es zuhause doch am schönsten ist, und alles wieder seinen Lauf nimmt und ich schon auf die nächsten Ferien in Perth spare, aber nein.
Nein.
Das kann ich nicht.
Ich kann mit dem Jahr noch nicht abschließen. 
Und es ist auch nicht alles gut. 
Ich bin zurück gekommen nach Deutschland schneller als mir lieb war, mit einem großen, lauten Crash, und der hat meine Welt komplett durcheinandergewürfelt.
Meine Tage schwinden dahin. 
Ich lache weniger. 
Und denke viel nach. 
Möchte ich überhaupt den Weg gehen, den ich gerade gehe?
Möchte ich für die nächsten zweieinhalb Jahre meine Gedanken zumauern mit unendlich langen Seminarfacharbeiten, gefüllt von unendlich komplizierten Schachtelwörtern und Fremdbegriffen, geschrieben in unendlich vielen schlaflosen Nächten? 
Hab' ich überhaupt die Motivation und die Kraft dazu?
Will ich Tag für Tag Handpuppe eines Systems sein, das meiner Meinung nach Individualität im Keim zertritt? 
Ein System, welches denjenigen als besonders hochintelligent bezeichnet, der am schnellsten am meisten wiederkeuen kann wie vorprogrammiert, nicht fokussiert darauf, wie er es versteht, sondern darauf, was der Lehrer gerne hören würde.  
Will ich das wirklich? Warum will ich das? 

Und darf ich es auch nicht wollen? 

Und was will ich dann? Kann ich das schaffen? Was, wenn ich es nicht schaffe?
Warum bin ich überhaupt hier? Was ist meine Aufgabe auf dieser Welt? 
Wofür bin ich gut? 

All diese Fragen fressen mich auf. Zusammen mit dem noch immer bestehenden emotionalen Chaos bezüglich Australiens und dem Batzen Hausaufgaben und Arbeiten, die jetzt schon bedrohlich nahe rücken, nach gerade mal einem Monat - 
ich kann im Moment einfach nicht mehr.
Aber ich habe den Eindruck, in unserer Gesellschaft ist es nicht gern gesehen, nicht mehr zu können. 
Denn wenn man nicht mehr kann, dann ist man schwach. 
Und wenn man schwach ist, ist man schlechter als die anderen. 
Und wenn man schlechter als die anderen ist, dann wird aus einem ja nie was anständiges. 

Jedes Mal, wenn ich mich mal mit diesen Fragen und Themen auseinander setzen möchte, kommen mir die Tränen, und aus Selbstschutz verfall' ich dann in diese graue Stimmung, in der ich wenigstens ausreichend genug funktioniere, um morgens genug Kraft zu haben, mich irgendwie zur Schule zu bewegen. 

Tut mir Leid, dass dieser Post nicht wirklich das ist, was sich einige vielleicht erhofft hatten, aber ich hoffe, ihr habt Verständnis dafür, dass ich nicht über etwas erzählen kann, was ich selbst noch nicht verarbeitet habe.

Bevor ich also irgendwelche voreiligen Schlüsse ziehe, muss ich mal irgendwo allein in den Wald und nachdenken. 
Bis dahin hoffe ich dass es euch allen gut geht. Und macht euch keine Sorgen. Ich werd' schon wieder. Danke fürs Lesen <3