Dienstag, 20. Oktober 2015

Die Vögel und die Zweige


Ein Käfig steht am offenen Fenster.
Die seidenen Gardinen flattern jeden Tag im Wind, 
fliegen wild umher, und so wünschte der Vogel nur, 
er könne fliegen genauso frei wie sie, und doch stößt er mit jedem Versuch an die harten Gitter.
Und so lernt er, seine Flügel zu vergessen.
Jeden Tag kann er den Stimmen der Welt lauschen, 
hört die Sirenen aus der Ferne als würden sie nach ihm rufen, 
und er zwitschert ihnen sehnsüchtig hinterher, doch sie verstummen.
Und so lernt der Vogel, zu schweigen.
Er schnuppert die Düfte, die hereinwehen – von frisch gebackenen Crepes und Benzin, 
von Waldboden und roten Rosen, und immer reckt er seinen Hals, 
doch die Brise verweht, ehe er sie fangen konnte.
Und so lernt er, den Atem anzuhalten.
Durch sein Gitter sah er die Erde sterben im Herbst und erwachen im Frühling, 
und ach, wie sehr er sich sehnte, mit ihr zu atmen, 
doch war er nie lebendig gewesen.
In seinem Käfig, da hängt ein runder Spiegel. 
Voller Stolz betrachtete er einst mein Federkleid, 
doch wenn er nun in den Spiegel sah, 
so wuchs er lang nicht mehr vor Wonne, 
denn wo einst ein Regenbogen schimmerte, 
trug er einen Umhang nun, ganz grau und matt.
Und letztendlich lernte er, die Augen zu verschließen.

Ein Vogel, der alles hat – er ist wohlgenährt, beschützt und geliebt – doch hat er eines nicht, das ist die Freiheit.
Ist es wert, sein körperliches Wohlbefinden, letztendlich sein Leben, auf's Spiel zu setzen, wenn das bedeute, dass er endlich fliegen kann, so wie es die Natur für ihn vorgesehen hat?

- so begann ich vor drei Wochen den Brief, der mein Leben umkrempeln sollte.
Und so beginne ich heute diesen Post, der vielleicht dein Leben umkrempeln wird.

All die Zeit, die ich schon auf diesem Blog schreibe, habe ich besonders in Australien versucht,
von Positivität und Lebensfreude und Optimismus zu strahlen. 
Aber besonders die letzten paar Wochen haben mir gezeigt, 
dass sich zumindest mein Weg mit Ehrlichkeit, Offenheit und simpler Akzeptanz
ein bisschen unbeschwerter gehen lässt. 
Und so schrieb ich weiter: 



Ich fühle mich wie ein trauriger Wellensittich.
Gefangen im eigenen Käfig.
Und mein Käfig gefällt mir manchmal. Hübsch hat man ihn mir bemalt.
Aber nachts beginne ich, die Gitterstäbe zu zählen. Ich drehe mich um mich und finde keinen Weg hinaus.
Mein Leben ist verfallen in eine endlos wiederkehrende Struktur aus Zwang, Pflicht und Versagen.
Sobald ich meine Augen aufschlage, wünsche ich mir, sie wieder zuzuschlagen.
Die einzige Kohle, die die Flamme in mir noch am Lodern hält, ist der Funken an Hoffnung, eines Tages die Augen aufzuschlagen und froh darüber zu sein, sie aufgeschlagen zu haben. Doch wird dieser Tag jemals kommen, wenn ich nie etwas verändere?
Entweder fühle ich mich, als hätte ich versagt, oder als verschwende ich meine Zeit.
Auf dem Weg zur Schule treffe ich mich jetzt immer mit meinem Schatten. Er heißt Depression. Wir gehen immer zusammen zur Schule. Er hat sich zwischen mich und meine Freunde gedrängelt. 
Oft kommt er auch mit mir nach Hause und sitzt neben mir, wenn ich versuche, mich zu konzentrieren. Dann lege ich meine Schulsachen beiseite und versuche, ihn zu überzeugen, wegzugehen. Doch manchmal bin ich ganz froh, dass er da ist. Dann fühl ich mich weniger allein...

Ich habe keine Lust mehr, das Leben zu leben, das ich lebe.
Der Stress schleißt sich in mein Blutsystem und lässt meine Venen verklumpen.
Dieses Schulsystem füttert mich nicht mit Wissen. Es füttert mich mit Steinen.
Und die kommen nicht in meinen Magen.
Sondern in meine Lunge.
Sie sind der Grund, warum ich so manchen Abend zusammengekauert in meinem Zimmer nach Luft schnappe, außer Kontrolle vor Tränen.
Dieses Schulsystem gibt mir keine Basis, auf der ich meine Zukunft errichten kann.
Es kommt mit einem Vorschlaghammer und zerstört das Haus aus Sand, das ich mir bereits ganz alleine gebaut hatte.
Es nimmt all meinen Stolz und all mein Ich, und will es zerquetschen wie ein Stück Knete, und anschließend rund formen, damit ich durch all die Löcher passe, die für uns vorgesehen sind.
Aber ich möchte nicht rollen. Ich bin keine Kugel.
Ich bin ein Vogel.
Darf ich meinen Käfig satt haben?

Ich habe diesen Käfig satt.

Der Moment des Verfassens dieses Briefes war ein Moment der Verzweiflung. 
Doch aus dieser Verzweiflung wuchs Hoffnung.
Und aus dieser Hoffnung gedeihte ein kleiner Spross, von dem nach und nach Zweige 
emporragten, Zweige der Möglichkeiten. 
Zweige der Zukunft.
Zweige, auf denen sich das eingesperrte Vögelchen aus meinem Brief
ein Nest bauen könnte. 
Und so schrieb ich weiter: 

Solange ich etwas hatte, dass als Abfluss dienen konnte für diesen stark konzentrierten Cocktail an Gefühlen, war alles okay.
Nicht gut, aber gerade so okay.
Okay genug, um es aushalten zu können.
Aber allmählich hatte ich an einer Maske gebastelt. Und bis heute habe ich keinen diese Maske vollständig durchblicken lassen.
Vielleicht aus Angst, was sich darunter verbirgt, die hässliche Wahrheit, ohne verschönerte Tragödien des schönen, traurigen Mädchens mit dem gebrochenen Herzens. Aus Angst, nicht anders zu sein als alle anderen. Aus Angst, nicht zu wissen, wer ich wirklich bin. Was mich von allen abhebt, wenn nicht das. Ob ich überhaupt interessant genug bin.
Ich.
Was ist das?
War ich wirklich die Person, die ich war, wenn ich alleine bin? Vielleicht ist das echte Ich ja auch die Anna, so wie sie sich in der Öffentlichkeit gibt? Aber was ist dann der Rest?
Es war ein tragisches Schauspiel. Und hinterm Vorhang hab ich immer geweint.
Denn tief drin wusste ich, ich reite ins Verderben.

Seit fast schon zwei Jahren wusste ich nun,  dass ich ins Verderben reite. 
Jetzt steh' ich vor dem Ortsschild des Verderbens. 
Und hab mich entschieden, umzukehren. 
Ich möchte doch nicht ins Verderben. 
Ich weiß zwar nicht, was es da draußen noch für Orte gibt, 
und ob dann vergleichsweise das Verderben vielleicht doch der bessere Ort ist,
doch wenn ich nicht gehe 
dann werde ich es nie wissen.
Und so schrieb ich weiter: 

Ich möchte nicht einfach nur leben. Und ich werde auch nie einfach leben. Das Einfache Leben als solches würde mich langweilen. Ich werde immer fordern, testen, riskieren, kritisieren und entdecken. 
Was ich sagen möchte, ist, ich wollte jemand tolles sein. Ich wollte überhaupt jemand sein.
Aber wenn das bedeutet hätte, dass all diese Gefühle für immer so laut sein werden würden und meine Tür fünfmal am Tag einrennen würden, dann mochte ich garnichts mehr sein.
Ich wusste auch garnicht mehr, wie das funktioniert, zu sein.
Ich wusste auch nicht, ob ich's lernen mochte.
Ich redete mir ein, dass es so nicht weitergehen konnte.
Und dann redete ich mir wieder aus, dass es sich jemals verändern würde.
Es ist ein ewiges Hin-und Her.
Und es gibt keine Konstante.


Diese Konstante muss ich mir jetzt bauen.
Aber das braucht Zeit.
Für ein Haus, in das meine Zukunftspläne einziehen können, 
brauche ich zunächst ein Fundament aus motivierenden Gedanken und gesunden Auffassungen.
Die glücklichen Fundamente, die halten besser.   
Aber wenn mir da fünftausend Architekten und Bauunternehmer hineinpfuschen
und meinen, sie wüssten es besser, wie man ein Fundament gießt
oder ob die Nägel nach Süden oder Westen zeigen sollen, 
dann hör ich sie mir an, 
aber schicke sie dann wieder von meiner Baustelle.
Denn das hier ist jetzt meine Baustelle. 
Und mein Spross.
Und mein Zweig. 
Und wenn er abbricht, dann bricht er eben ab.
Dann such' ich mir einen neuen.
Kein Vogel würde sich missmutig in einen Busch verkriechen und herumnörgeln.
Er würde immer und wieder ein neues Nest bauen,
bis er zufrieden ist mit seinem Werk.
Und dann legt er die Eier. 
Ich kann keine Eier legen ohne ein Nest.
Ich kann keine Räume dekorieren ohne stabile Wände.
Und ich kann nicht glücklich werden ohne eine offene Käfigtür.

Ich hab in den letzten 1,5 Jahren viel mit mir vereinbahrt, was ich nicht mit mir hätte vereinbaren müssen.
Ursprünglich war ich immer der Auffassung, dass derjenige, der dem Schmerz entgegenhält 
ohne auszuweichen, der Starke ist.
Derjenige, der alles diszipliniert und gnadenlos durchzieht,
der alles wegzustecken scheint, ohne sich zu beschweren. 
Doch es hat mich zeitweise mein eigenes Lachen gekostet,
um zu realisieren, dass der Starke eben auch derjenige ist,
der sich nicht alles gefallen lässt, der nicht alles erträgt und 
nicht mit zwei abgehackten Beinen noch immer auf dem Schlachtfeld herumkriecht.
Stark sein bedeutet auch, Niederlagen zu erleben, den Sand abzuschütteln und weiterzumarschieren,
aber diesmal vielleicht in eine andere Richtung.
Frieden schließen können mit vergangenen Wunden, und loslassen zu können 
von den festgefahrenen, schadhaften Mustern. 
Reflektieren, Diskutieren, Kontemplieren. 
Den individuellen Weg für seinen eigenen Geist finden. 

Ab sofort höre ich auf mein Bauchgefühl.
Das kennt den Weg. 
Und es gibt immer einen anderen Weg.

Sich einzugestehen, dass man am Ende seiner Kräfte ist,
ist kein Tiefpunkt, kein Fehler, keine Schwäche. 
Es ist ein Hochpunkt des Mutes und ein erster Schritt in die richtige Richtung.
Und diesen ersten Schritt bin ich jetzt gegangen. 
   Wann gehst du ihn?                 


2 Kommentare:

  1. Liebe Anna, ich wollte dir nur sagen, dass du unglaublich gut schreiben kannst, man sich richtig in die Szene die du so beschreibst hineinversetzen kann und mir dieser Post wirklich aus der Seele spricht! Deshalb wünsche ich dir ganz viel Glück auf deinem"neuen" Weg :)

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